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Was beeinflusst Chronifizierung?
Wie Verhaltensweisen Schmerz beeinflussen.

Wie schon zu Anfang beschrieben ist Schmerz ein komplexes Sinnesereignis, das Nozizeption mit einer emotionalen, subjektiven Komponente verbindet.

 

Chronischer Schmerz wird unter Anderem bedingt durch die Ausschüttung von anregenden, aktivierenden  Transmittern. Im Allgemeinen stehen diesem Prozess die hemmenden und schmerzlindernden Transmitter entgegen.

Ausgeschüttet werden hemmende Transmitter wie Endorphine zum Beispiel bei lang anhaltender Bewegung (Joggen, Walken, man kennt das „Runner’s High“), Aktivität also. 

Bewegungsmangel wirkt sich ebenfalls auf das Schmerzempfinden aus, es lässt uns den Schmerz stärker empfinden. 

Beispiel: Zahnschmerzen merken wir tagsüber weniger, solange wir aktiv sind. Abends im Bett, wenn sämtliche Umweltfaktoren ausgeblendet sind, empfinden wir den Schmerz stärker.

 

Zu dem hemmenden Transmittern zählen unter Anderem auch Endorphine (und andere „Glücklichmacher“): Wenn man glücklich mit sich, seiner Familie und seinen Freunden ist, kann das auch schmerzlindernd wirken – sozialer Rückzug, Depressionen, Ängste, Aufgabe oder Unzufriedenheit mit dem Arbeitsplatz und Unzufriedenheit wirken sich negativ auf den Schmerz aus.

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Folgende Modelle veranschaulichen den Prozess:

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Das Glasgow Illness Modell

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Dieses Modell beschreibt die Art und Weise wie Schmerz und Krankheit empfunden werden. Es besagt, dass das Hilfesuch-Verhalten von der "Interpretation und Wahrnehmung der Symptombedeutung des Einzelnen abhängt, wie auch von der Verfügbarkeit und Erwartung an eine Behandlung und das erlernte und kulturelle Krankheitsverhalten. Die Wahrscheinlichkeit, das Hilfe aufgesucht wird, erhöht sich durch auftretende Ängste, emotionale Belastungen, Lebensumstände und Stress..." (Waddel 1987)

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Klassische Konditionierung

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Anhand des Beispiels des Pawlow'schen Hundes kann man die klassische Konditionierung gut beschreiben: Der Hund erhält jeden Tag um 12 Nahrung. Gleichzeitig hört er die Kirchenglocken pünktlich um 12 läuten. Also verbindet er nach mehrmaliger Wiederholung - wenn die Glocken läuten gibt es Nahrung. 

Künftig reicht das Glockengeläut um ein Hungergefühl oder Speichelsekretion auszulösen.

In diesem Beispiel ist das Glockengeläut der "neutrale Stimulus". Durch Kopplung an einen "unkonditionierten Reiz" (Nahrung gibt es immer um 12 Uhr) wird ein Reflex ausgelöst, die Speichelsekretion. Nach mehrmaliger Wiederholung wird das Glockengeläut zu einem "konditionierten Reiz", das heißt es wird allein durch das Glockengeläut Hunger/eine Speichelsekretion ausgelöst.

Eine angeborene Reaktion wird nun also auch durch einen äußeren Reiz ausgelöst, der eigentlich nichts mit dem Körper zu tun hat - man erhält physiologische Reaktionen auf einen eigentlich neutralen Stimulus.

Bei Schmerzreaktionen läuft dies ähnlich ab- Ein Schmerzreiz kann zum Beispiel als unkonditionierter Reiz wirken. In Zusammenhang mit Angst und Stress sowie Schmerzen der Skelettmuskulatur ist dies klinisch Bedeutsam.

Erkennt man und hebt man die Kopplung zwischen Reiz (Glockengeläut)  und Reaktion (Hunger) auf, können klassisch konditionierte Reaktionen die im Gehirn gespeichert werden, schnell gelöscht werden.

 

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Operante Konditionierung

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Das operante Schmerzverhalten tritt auf, wenn eine Tat oder Angewohnheit mit positiven oder negativen Konsequenzen behaftet ist. 

Bei Schmerzpatienten kann zum beispiel inaktives Verhalten ungewollt gefördert werden durch Partner, die in ihrer Empathie dem Betroffenen jede Hausarbeit abnehmen wollen. Der Schmerzpatient lernt: wenn ich Schmerz empfinde, wird sich um mich gekümmert.

Dabei wäre es wichtig bei chronischen Schmerzpatienten darauf zu achten, dass nicht das Schmerzverhalten "belohnt" wird sondern aktives Verhalten zu belohnen. 

Die operante Konditionierung kann zu einer eigenständigen Symptomatik führen, ohne dass eine Pathologie vorliegt. Oft wird dieses fälschlich mit Simulation gleichgesetzt, ist damit aber nicht zu verwechseln.

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